Serena Williams spricht offen über die Ermordung ihrer Schwester

Serena Williams musste im Laufe der Jahre so einige harte Schläge einstecken, aber keine Niederlage auf dem Platz war so verheerend wie das Schicksal ihrer Familie. Viele Fans wissen nicht, wie sehr die Tennischampionesse hinter den Kulissen heimlich litt, während sie ihre Asse aufschlug. Inzwischen hat sich Serena über den Mord an ihrer Schwester geäußert. Ihre Sicht auf die Tragödie ist wirklich herzzerreißend.

Möglicherweise hast Du noch nie von Serenas älterer Halbschwester, Yetunde Price, gehört, aber sie stand dem Sportstar sehr nahe. Neben ihrer familiären Verbindung, war Yetunde auch zeitweise ihre persönliche Assistentin.

Diese schwesterliche Bindung fand mit der Ermordung Yetundes ein jähes Ende. Als sie in einem geparkten Auto saß und sich mit ihrem Partner unterhielt, wurde sie in den Kopf geschossen. Der Mord hat die damals erst 21jährige Serena tief getroffen. Tatsächlich hat die Sportlegende öffentlich nur wenig darüber gesprochen - bis jetzt.

Als sie von der jungen Aktivistin Naomi Wadler interviewt wurde, brach Serena schließlich ihr langes Schweigen. Der Tennis-Superstar erzählte von der liebevollen Beziehung, die sie mit ihrer älteren Schwester hatte. Sie erklärte auch, wie sie es geschafft hat, den Verlust zu verkraften.

Es gibt einen entscheidenden Grund, warum Serena nun über den Mord an ihrer Schwester gesprochen hat. Wadler ist nämlich nicht irgendeine junge Frau: mit ihrem Projekt DiversiTEA interviewt sie Prominente zu brisanten Themen. Dadurch möchte sie etwas bewirken - und das könnte Serena zu diesem Beitrag veranlasst haben.

Damals noch in Wadlers Alter war Serena gerade mal ein Tennis-Neuling. Sie hatte Yetunde zum Anlehnen und konnte sich in ihrem Lieblingssport mit ihrer talentierten Schwester Venus messen.

Venus und Serena waren praktisch dazu bestimmt, Tennisstars zu werden. Noch bevor sie überhaupt geboren wurden, hatte ihr Vater tatsächlich schon alles für sie geplant. Nachdem Richard das rumänische Tennis-Ass Virginia Ruzici hatte spielen sehen, schwor er, seine Töchter zu Tennisprofis zu machen.

Venus und Serena waren nicht die einzigen Töchter von Richard. Mit seiner ersten Frau Betty hatte er bereits zwei Mädchen - und drei Jungen. Keine von ihnen war Yetunde, denn sie war eine der Schwestern von Venus und Serena mütterlicherseits.

Oracene Price, die Mutter der Tennis-Stars, war Witwe und hatte drei Töchter, als sie Richard kennenlernte. Isha, Yetunde und Lyndrea wurden Teil einer großen Patchwork-Familie, als sie den Bund der Ehe schlossen. Schließlich erblickten dann Venus und Serena das Licht der Welt.

Die Williamses ließen sich gemainsam in Los Angeles nieder - der Stadt, in der Yetunde ihr Leben lassen sollte. Hier haben Serena und Venus auch mit dem Tennis begonnen. Noch bevor sie fünf Jahre alt waren, wurde das Duo auf öffentlichen Plätzen von Richard trainiert.

Die Mädchen wurden nicht nur von Richard unterrichtet. Als die Familie nach West Palm Beach in Florida zog, besuchten Venus und Serena ein von Top-Trainer Rick Macci gegründetes Tenniszentrum. Auch er arbeitete mit den Schwestern in zusätzlichen Einzeltrainings. Und dann kam ein weiteres Familienmitglied hinzu.

Auch Oracene hat zum Trainingserfolg beigetragen. Serenas Tenniskarriere ist eine echte Familienangelegenheit. Die fünffache Mutter wollte den Sport kennenlernen, um ihren Töchtern zu helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Oracene war eine wertvolle psychologische Unterstützung für ihre Mädchen. Vielleicht bot sie die Schulter zum Ausweinen, als Yetunde getötet worden ist.

Der Tod ihrer Halbschwester war für Serena schwer zu verkraften. Auch früher in ihrem leben hatte sie bereits mit Widrigkeiten zu kämpfen. Im Herbst 1995 gab Serena ihr Profidebüt - im zarten Alter von 14 Jahren und gegen den Rat ihrer Eltern. Obwohl das Tennis-Ass wild entschlossen war, war ihr erstes Turnier nicht einfach.

Bei der Bell Challenge 1995 in Quebec trat Serena zum ersten Mal als Profi an. Sie wurde als Wild Card angemeldet und spielte in ihrem ersten Match gegen Annie Miller - eine vier Jahre ältere Amerikanerin. Serena war mit dem Ergebnis nicht zufrieden, denn Miller besiegte sie in allen Spielen bis auf zwei.

Serenas nächste Profispiele fanden dann erst in 1997 statt, als sie gleich an mehreren Turnieren teilnahm. Ihre ersten Telnahmen endeten wieder mit Niederlagen in den Qualifikationsrunden. Im November desselben Jahres gelang ihr schließlich der Sieg: Sie besiegte sowohl Mary Pierce als auch Monica Seles.

Mit ihren Siegen über Pierce und Seles schrieb Serena Geschichte. Seit Beginn der Open Era war es bisher noch nie einer niedrig platzierten Teilnehmerin gelungen, gleich zwei Top-Ten-Gegnerinnen in einer einzigen Meisterschaft zu schlagen. Diese bemerkenswerte Außenseiter-Geschichte zeigte, wie Serena sich von schwierigen Erfahrungen erholen konnte. Auf diese Stärke konnte sie später zurückgreifen, als Yetunde starb.

Natürlich würde Serena noch weiter aufsteigen. Wenige Wochen vor ihrem 18. Geburtstag gewann sie das Finale der U.S. Open. Damit war sie nach Althea Gibson die zweite afroamerikanische Frau, die als Einzelspielerin einen Grand-Slam-Titel holte.

Im Juli 2002 erreichte Serena schließlich den Gipfel ihres Könnens: Sie wurde die bestplatzierte Tennisspielerin der Welt. Bis Oktober 2021 hatte sie diese Position achtmal inne, und ihre längste zusammenhängende Zeit liegt bei 186 Wochen.

Serena hat bis dato 72 WTA-Titel gewonnen, womit sie in der Gesamtwertung unter den ersten fünf Spielern aller Zeiten liegt. Die Tennischampionesse hat außerdem 23 Grand-Slam-Titel in ihrer Bilanz. Ganz zu schweigen von ihrer olympischen Goldmedaille, die sie bei den Spielen 2012 in London gewonnen hat - und das ist nur ihre Einzelkarriere!

An der Seite von Venus konnte Serena auch große Erfolge bei Doppelturnieren erzielen. Die Schwestern haben gemeinsam 14 Grand-Slam-Titel und drei olympische Goldmedaillen gewonnen. Und dann sind da noch die beiden Grand-Slam-Titel, die Serena im gemischten Doppel gewonnen hat - beide mit dem Weißrussen Max Mirnyi. Stell dir nur mal vor, wie stolz Yetunde auf ihre Schwestern gewesen wäre.

Serenas Erfolge haben sie zu einer Ikone gemacht. Auf jeden Fall ist sie dadurch sehr reich geworden. Ihr Einkommen als Profi wird auf mehr als 94 Millionen Dollar geschätzt. Damit ist sie der vierthöchstverdienende Tennisprofi aller Zeiten - hinter Rafael Nadal, Roger Federer und Novak Djokovic.

Doch Serenas Interessen gehen weit über den Tennisplatz hinaus. Gemeinsam mit ihrer Schwester besitzt der Sportprofi beispielsweise Anteile an den Miami Dolphins. Und dann ist da noch ihre Wohltätigkeitsorganisation namens Serena Williams Fund, der ärmeren Menschen den Zugang zu Bildung ermöglicht.

Sowohl Serenas Leistungen als auch ihr Vermächtnis gehen über den Sport hinaus. Als erfolgreiche farbige Frau ist sie für viele zum Vorbild geworden - insbesondere für afroamerikanische Mädchen. Ein Mädchen, das durch den Tennisstar inspiriert wurde? Naomi Wadler.

Wadler ist eine Aktivistin für schwarze, weibliche Opfer von Waffengewalt in den USA - und das, obwohl sie gerade erst die High School hinter sich hat. Wenn sie nicht gerade im Unterricht ist, hält sie Reden über die Ungleichheiten in ihrer Bevölkerungsgruppe. Falls dir ihr Gesicht bekannt vorkommt: sie war die herausragende Rednerin beim March for Our Lives (Marsch für unser Leben)-Protest in 2018.

Der berühmte March for Our Lives (Marsch für unser Leben) wurde von Studenten organisiert, die sich für schärfere Waffengesetze in den USA einsetzen. Die hoch angesehene Veranstaltung fand nach der Schießerei in der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland (Florida) statt. Tragischerweise wurden bei diesem schrecklichen Vorfall 17 Menschen getötet und fast 20 weitere verletzt.

In Gedenken an die Opfer von Parkland gab es einen nationalen Schulstreik, bei der alle Schüler aus Protest gegen Waffenkriminalität 17 Schweigeminuten einlegten. Wadler - die bei der Organisation einer Veranstaltung an ihrer eigenen Schule half - fügte eine ergreifende zusätzliche Minute hinzu. Sie erinnerte damit an Courtlin Arrington - ein afroamerikanisches Mädchen, das nur eine Woche zuvor in ihrer Schule ermordet worden war.

Wadler ist offenbar der Meinung, dass in den Medien nicht angemessen über junge afroamerikanische Opfer von Waffenkriminalität berichtet wird. The Washington Post zufolge sagte sie auf der Kundgebung des March for Our Lives: "Ich bin hier, um die afroamerikanischen Mädchen zu würdigen und zu vertreten, deren Gesichter nicht auf der Titelseite jeder nationalen Zeitung erscheinen, und deren Geschichten nicht in den Abendnachrichten auftauchen."

"Ich vertrete die afroamerikanischen Frauen, die Waffengewalt zum Opfer gefallen sind - und die einfach nur eine Zahl in der Statistik geworden sind, anstatt lebendige, schöne Mädchen voller Potenzial. Viel zu lange waren diese Namen, diese schwarzen Mädchen und Frauen, nur Zahlen... Ich bin hier, um auch im Namen dieser Mädchen 'Nie wieder' zu sagen."

"Es ist unbewusst in den Köpfen der Menschen verankert, dass jemand mit einer dunkleren Hautfarbe weniger wert ist als ein weißes Mädchen oder ein weißer Mann", erklärte Wadler in ihrer Rede. Das kann fatale Folgen haben. In 2017 veröffentlichte Centers For Disease Control & Prevention (Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass schwarze Frauen ein erhöhtes Risiko haben, an Waffengewalt zu sterben - und zwar mehr als doppelt so hoch wie jede andere ethnische Gruppe.

Die Art und Weise, wie Wadler sich ausdrückte, zeigte eine Reife, die weit über ihr Alter hinausging. Ihre Rede erregte die Aufmerksamkeit vieler Menschen - auch die von Ellen. Die TV-Moderatorin war so von der jungen Aktivistin beeindruckt, dass sie sie in ihre Talkshow einlud. Damit bot sie Wadler eine unglaubliche Chance.

Ellen stellte Wadler eine Plattform für ihre Sache, indem sie ihr eine eigene Talkshow-Serie anbot, und zwar DiversiTEA. In dieser Sendung interviewte Wadler inspirierende und einflussreiche Frauen - darunter auch Serena Williams. Die junge Moderatorin hielt sich mit ihren Fragen nicht zurück.

Wadler schien auch nicht im Geringsten eingeschüchtert durch Serenas Präsenz. Sie fragte den Tennisstar, wie farbige Mädchen ihre innere Stärke ausschöpfen können. Außerdem wollte sie wissen, wie ihre weißen Altersgenossen sie besser unterstützen könnten. Mit der Zeit wandte sich das Gespräch dann einem anderen Thema zu, das Serena sehr am Herzen liegt.

Als die beiden über die Rede beim March for Our Lives sprachen, betonte Wadler, wie wichtig es ihr war, das Thema schwarze Frauen als Opfer von Waffenkriminalität anzusprechen. Serena stieg aktiv in das Thema ein und brachte eine selten erwähnte Erfahrung zur Sprache.

"Ich war persönlich von Waffengewalt betroffen", sagte Serena zu Wadler. "Meine Schwester ist leider daran gestorben." Sie sprach von Yetunde, die in 2003 in Compton auf so tragische Weise ums Leben gekommen war.

Es war einfach ein tragischer Fall von falschem Ort und falscher Zeit. Yetunde und ihr Partner hatten unwissentlich vor einem Haus geparkt, das sich später als Drogenumschlagplatz entpuppte. Zwei auf der Lauer liegende Kriminelle hatten dann einfach auf das Paar geschossen. Sie hatten fälschlicherweise angenommen, dass Yetunde und ihr Mann zu einer rivalisierenden Bande gehörten.

Ihr Freund, der auf dem Fahrersitz saß, raste vom Tatort weg, dann wählte er den Notruf. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht erkannt, was mit Yetunde passiert war. In dem Kugelhagel hatte sie eine Kugel in den Kopf getroffen. Tragischerweise erlag sie ihren Verletzungen.

Yetunde stand Serena unglaublich nahe. Viele Jahre konnte sie kaum über den Tod ihrer Halbschwester sprechen, und sie erwähnte den Vorfall nur selten öffentlich. Wadler hat sie schließlich dazu ermutigt, sich zu öffnen. Der Tennisstar hat einen guten Grund, sich mit ihrem Herzschmerz auseinanderzusetzen.

"Waffengewalt ist zum öffentlichen Thema geworden, weil sie sich immer weiter ausbreitet", erklärte Serena Wadler. "Das ist etwas Gutes. Ich denke, wir müssen uns daran gewöhnen, auch unbequeme Gespräche zu führen. Die Situation wird nie wirklich besser, wenn man sie immer vermeidet. Man muss sie direkt angehen."

Da Yetunde zu einem Zeitpunkt starb, als Serena verletzt war, wirkte sich die Tragödie nicht unmittelbar auf ihre Tennisleistung aus. Das kam dann später. Bei den Silicon Valley Classic in 2018 verlor Serena in einem Match gegen Johanna Konta bis auf ein Spiel alles - die bisher größte Niederlage ihrer Karriere. Nur Minuten vor dem Spiel hatte sie erfahren, dass der Mörder ihrer Schwester aus dem Gefängnis entlassen worden war.

Yetundes Name lebt in einem Gemeindezentrum in Compton weiter, das ihre beiden Halbschwestern zu ihrem Gedenken eröffnet haben. Es ist ein rührender Tribut, durch den sie nie vergessen wird. Nachdem Serena jetzt über Yetundes Schicksal gesprochen hat, kennen Millionen mehr ihr Leben und ihre Geschichte.